A Weihnachtsg´schicht-ks

Die Weihnachtsüberraschung im Tegernseer Tal

A Weihnachtsg´schicht in Tegernsee. Foto: Karin Sommer

Theater in Tegernsee

Um ein Jahr musste die Uraufführung von „A Weihnachtsg’schicht“ wegen der Umstände des Vorjahres verschoben werden. Das Warten hat sich ausgezahlt. Ein hingerissenes Publikum folgte der Erstaufführung des Klassikers, der vom Tegernseer Volkstheater mit Witz, Zeitgeist, bestechender Einfachheit und großartigen Kompositionen interpretiert wird.

Charles Dickens Roman „Eine Weihnachtsgeschichte“ wurde seit seiner Erscheinung im Jahre 1843 unzählige Male in Theatern aufgeführt und sogar verfilmt. Diese Weihnachten dürfen sich die Menschen im Landkreis Miesbach über eine besonders gelungene Interpretation von Andreas kern freuen. „A Weihnachtsg’schicht“ ist nicht einfach die bayrische Interpretation des britischen Klassikers, sondern ein feinfühliges, zeitkritisches Werk, das auf vielen Ebenen überrascht. Doch kurz zur Geschichte:

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Andreas Kern als grantelnder Isidor Krutsch. Foto: Karin Sommer

Isidor Krutsch (Andreas Kern) grantelt auch zu Weihnachten vor sich hin, frönt seinen Götzen Arbeit und Reichtum, unbeeindruckt von der „Gefühlsduselei“ seiner Mitmenschen. Wie immer schlägt er die Einladung seines Neffen Konstantin (Felix Thörl) aus, das Fest gemeinsam zu feiern und hält seinen Mitarbeiter, Herrn Kleinwächter (Tobi Burbanj) an der kurzen Leine. Weder die Waisenkinder noch die Spendensammler (Peter Fritsch und Christina Kern) können sein Herz erweichen und so zieht er sich in sein Schlafgemach zurück und bleibt dabei: Weihnachten ist ein Tag wie jeder andere.

Da braucht es schon höhere Mächte, um dem Mann mit dem verschlossenen Herzen eine Lektion zu erteilen. Sein verstorbener Geschäftspartner Mahler (Peter Fritsch) und drei weitere Geister erscheinen dem Geizkragen Krutsch im Schlaf und stoßen ihn in vergangene und zukünftige Zeiten, um ihm die Augen zu öffnen.

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Der ehemalige Geschäftspartner warnt als Geist. Foto: Karin Sommer

Eine herausragende Interpretation des Klassikers

Das Herausragende an dieser Inszenierung ist die Gefühlsintensität, die sie weckt. Ein einfach gehaltenes Bühnenbild unterstreicht den Inhalt, ohne viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das wiederkehrende Erscheinen des kleinen Jungen (Jonas Pill), der immer wieder vorbeiläuft, um die in Standbilder verwandelten Schauspieler am Beginn von Szenen aufmerksam zu betrachten, fasziniert als schlichtes, wiederkehrendes Element. Den Darstellern gelingt es glaubwürdig, in Doppelrollen zu schlüpfen, Fanni Kern mit ihren fünfzehn Jahren tritt gleich in vier Rollen auf und meistert ihre unterschiedlichen Charaktere. Vom frechen Waisenkind wandelt sie sich zur sitzengelassenen Liebe des jungen Krutsch, danach zur liebevollen Ehefrau des Angestellten Kleinwächter. Als dritter Geist tritt sie selbstbewusst und stark auf und zeigt auch singend ihr Talent.

Jede Szene dieser Weihnachtsgeschichte fesselt, kein Wort zu viel, kein Lied zu lang. Die Trauer der Familie Kleinwächter um ihren jüngsten Sohn wird vom Vater (Toni Bubanj) und seinen beiden Söhnen (Simon Wechselberger und Leopold Lindner) so schlicht und ergreifend gespielt, dass der ein oder andere Zuschauer das Taschentuch zückt. Erleichterndes Aufatmen, als diese Zukunftsvision sich nicht bewahrheitet und aus dem grantelnden Krutsch ein begeisterter Geber wird, der Gutes bewirkt und Tragisches zu verhindern weiß. Und dennoch liegt bei all der schauspielerischen Leistung aller Beteiligten die wahre Überraschung dieses Nachmittags in der Musik.

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Toni Bubanj und Felix Thörl als musikalische Stützen. Foto: Karin Sommer

Talentierte Komponisten als Überraschung des Abends

Felix Thörl, der auch als Neffe Krutschs und als zweiter Geist zu bewundern ist, und Stefan Delanof, schaffen mit aufsehenerregenden Kompositionen die Basis für den Erfolg dieses Stückes. Melodien, die ins Ohr gehen, verzaubern, die Handlung unterstreichen und vorantreiben. Felix Thörl und Toni Bubanj legten sich ins Zeug, um die Schauspieler gesanglich auf Vordermann zu bringen und Christina Kern unterlegte die emotionsgeladenen Melodien mit Texten und einer klaren Botschaft: Der Reichtum in unserer Gesellschaft ist ungerecht verteilt. Nicht nur die Habgier und Besessenheit des Einzelnen sind unser Problem, sondern auch die Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft stimmen nicht. Es besteht Handlungsbedarf, und das nicht nur zu Weihnachten.

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Musicalstimmung bei „A Weihnachtsg’schicht“. Foto: Karin Sommer

So aufregend und innovativ diese Inszenierung auch sein mag, es gibt auch nach wie vor Tradition im Tegernseer Volkstheater, die Ansprache von Andreas Kern am Ende der Aufführung, in der er sein Team als das beste weltweit vorstellt. Von den alteingesessenen Schauspielern bis zu den Kindern der Montessori Schule Rohrdorf (Jonas Pill als Rotkappe, Noah Mitter als Sohn der Kleinwächters) und dem Mann am Klavier (Lukas Scheuer) haben alle dazu beigetragen, dieses Stück auf die Beine zu stellen. Fünfmal wird es noch aufgeführt und ist für alle Altersgruppen empfehlenswert. Was heißt empfehlenswert. Für eine beseelte Weihnachtszeit im Grunde unverzichtbar.

„A Weihnachtsg’schicht“ von Andreas Kern und dem Tegernseer Volkstheater im Ludwig-Thoma-Saal am 10., 11. 17. und 18. Dezember jeweils um 15 Uhr.

Zum Weiterlesen: Hinreißender „Krach am Tegernsee“

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