Alpine Hütten

Von Wilderern und Gangsta-Rappern

Sandra Freudenberg mit dem Buch Alpine Hütten 3. Foto: MZ

Buchtipp von KulturVision

„Alpine Hütten 3“ von National Geographic ist eine Einladung zur Hüttenwanderung, zur Erkundung von Sehnsuchtswegen in den Bergen. Wunderschöne Fotos von Bernd Ritscherl und lebendige Texte von Frank Eberhard und Sandra Freudenberg machen Lust, unverzüglich loszuwandern.

Und das sogar mit heranwachsenden Kindern. Moment noch, erst soll der Band im Ganzen vorgestellt werden. Schlägt man ihn auf, fällt der Blick auf einen Schattenriss. Drei Bergsteiger stehen im Gegenlicht vor der untergehenden Sonne in eine in Gelb getauchte Berglandschaft. Poesie. Idyll.

Band 3 der Reihe Alpine Hütten vereinigt Wanderrouten zu Hütten in Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich und der Schweiz. Im Vorwort schreiben die Autoren, dass die Alpen voller Schätze seien, einige davon auch vom Menschen geschaffen, die Hütten also. Diesen Zufluchtsorten sehr unterschiedlicher Art ist der reich bebilderte Band gewidmet.

Heraus aus dem Alltag

Hier habe man großartige Menschen getroffen, die mit Leidenschaft ihrer Berufung als Wirt oder Wirtin folgen, heißt es. Und man sei spannenden Menschen auf den Routen begegnet. All das ist in den Texten nachzulesen.

Neu an diesem Band ist, dass die Routen zwei bis fünf Hütten umfassen, also Mehrtagestouren beschrieben werden. Der Grund dafür sei, dass man erst bei mehrtägigen Wanderungen heraus aus dem Alltag komme, die Sinne geschärft würden und man in einen anderen Zustand gleite, bei dem sich Anstrengung und Erholung periodisch abwechseln.

Alpine Hütten sind keine Hotels

Die Arbeit in der Hütte indes dauere 16 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und deshalb gelte den Wirtinnen und Wirten Dankbarkeit und Respekt. Wandersleuten wird angeraten, ihre Erwartungshaltung zurückzuschrauben, Hütten seien keine Hotels. Einfache Mahlzeiten und eingeschränkter Handyempfang hätten den Vorteil, Verbundenheit zum Elementaren aufzubauen.

Aus den vielen Geschichten des umfassenden Bandes habe ich mir eine herausgenommen, die zum Anfang des Textes führt. Autorin Sandra Freudenberg, die mit Autor und Filmemacher Tom Dauer aus Schmidham das Alpen Film Festival gründete, erzählte mir, dass es ihr gelungen sei, ihren 15-jährigen Sohn auf eine zweitägige Wanderung mitzunehmen.

Anarchistische Typen mit Naturverständnis

Sie habe sich die Geschichte des Jägers von Fall vorgenommen, in der es um Wilderer, also Rebellen geht. Laurin ist eigentlich kein Wanderer, sondern Downhillbiker, Freerider und musikalischer Gangsta-Rapper.

Aber sie konnte ihn zu einer Wanderung zu den Originalschauplätzen von Ludwig Ganghofers Roman überreden, weil es da um Kampf in einer Schlucht, brennende Flöße und Verfolgungsjagden geht. Wilderer, so schreibt sie in ihrem Text, seien kühne, anarchistische Typen mit viel Naturverständnis. Ein Wilderer stehle dem Adel, der ja nur zum Vergnügen schießt, Wild, um damit seine Familie vor dem Hunger zu retten. Dieser Wilderer passe zur Parallelwelt des 15-Jährigen.

Tölzer Hütte

Und so geht er interessiert mit, erfreut sich an einem Sprung in die Gumpen und meint, dass sei wie ein Whirlpool und hier hätten die Wilderer sicher wilde Poolparties gefeiert.

Am ersten Tag erreichen Mutter und Sohn von Fall aus über das Krottenbachtal die Tölzer Hütte. Den fantastischen Blick ins Karwendel kommentiert Laurin mit „Baba Skyline“, er scheint beeindruckt zu sein, was immer das auch heißen mag.

Plumpsjochhütte

Am zweiten Tag, so freut sich Sandra Freudenberg, spüre der Teenager bereits die Natur. Er registriere, dass der Wind in den Fichten einen anderen Sound als in den Tannen macht. Als sie sich versteigen, schlägt er vor, den Spuren der Gamsscheiße zu folgen. Er hat recht und damit gute Laune.

In der Plumpsjochhütte ist es sicher so gemütlich wie in Ganghofers Grottenbachalm, wo die Sennerin von Jägern und Wilderern besucht wurde, schreibt die Autorin, und wo sich die großen Leidenschaften entfalteten. Mutter und Sohn genießen den Abend bei einem guten Essen, schlafen tief und fest und steigen am nächsten Tag ab in die Eng.

Nature Writing

Der Beitrag ist ein typischer Text aus dem Genre Nature Writing. Keine spröde Wegbeschreibung, sondern ein literarischer Essay.

Auch Frank Eberhard hat sich diesem lebendigen Stil verschrieben, etwa wenn er das Hüttenpaar der Richterhütte in den Zillertaler Alpen interviewt. So ist jede der 19 Geschichten eine kleine literarische Kostbarkeit und hat dennoch alle notwendigen Informationen am Ende parat, die es zum Nachmachen braucht.

Von Cohen bis Einstein

Darüber hinaus sind immer wieder kleine Texte von prominenten Autoren, von Leonard Cohen über William Shakespeare bis Albert Einstein eingestreut, die das Gefühl für die Natur wiedergeben.

Die Fotografien von Bernd Ritschel sind von eigenständiger Schönheit, sie zeigen die Erhabenheit der Berge und lassen den Betrachtenden ergriffen zurück.

Alpine Hütten 3, National Geographic von Bernd Ritschel, Frank Eberhard und Sandra Freudenberg.

Zum Weiterlesen: „Wirklich oben bist du nie“

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