Bunbury

Bunbury: Roy Black trifft Oskar Wilde

Verliebte Jungs – Algernon Moncrieff (Michael Probst) links und Jack Worthing (Helmut Enzinger). Foto: Michael Schulte

Man nehme zwei verliebte Paare, eine ältere Lady, eine Gouvernante, einen Pfarrer sowie den unvermeidlichen Butler. Dazu kredenze man Hildegard Knef, Peter Kraus oder die Ärzte. Fertig ist der neue Theatercocktail der Jungen Bühne Miesbach: Bunbury. Eine gelungene Mischung?

Junge Bühne Miesbach im Bräuwirt

Miesbach am Samstag im Festsaal des Bräuwirts: Auf den langen Tischen teilen sich Bierkrüge und Weingläser mit Schnitzeln, Schweinsbraten und Salaten den begrenzten freien Platz. Die Luft ist geschwängert von feinem Raumduft und Essensgerüchen. Lautes Lachen, angeregt hinfallende Gesprächsfetzen und eine wohlige Gespanntheit bestimmen den Ton. Heute ist im Saal des Miesbacher Bräuwirt nach drei langen Jahren Pandemie-Pause wieder Junges Theater angesagt.

Krönung und Dandyismus

Prinz – ach nein – König Charles liegt wahrscheinlich längst mit seiner Camilla und den beiden neuen Kronen rechts und links auf den Nachttischen drapiert im hochherrschaftlichen Bett in Windsor als im oberbayerischen Miesbach dem britischen Dandyismus gehuldigt wird. „Bunbury – Ernst sein ist alles“ steht nach drei Jahren Abwesenheit auf dem Spielplan des Ensembles der Jungen Bühne Miesbach.

Bunbury Die Schauspielerinnen Sonja Fischbacher und Ute Bauer rahmen Michael Probst, den Liebhaber beziehungsweise Vormund ein. Foto: Michael Schulte

Regisseurin Regina Weber-Toepel, deren 30-jähriger unermüdlicher Einsatz für das Kulturleben in der Kreisstadt im Januar mit dem Kulturpreis der Stadt ausgezeichnet wurde, freut dies sichtlich: „Wir waren alle so aufgeregt!“ Die Abstinenz von der heimatlichen Bühne im großen Saal des Gasthofes am unteren Markt hat Spuren bei den Akteuren hinterlassen. Das Lampenfieber sei im Vorfeld der heutigen Premiere bei dem Team enorm gewesen, berichtet Regina Weber-Toepel nach der Vorstellung. „Umso erleichterter sind wir jetzt“, erzählt die Regisseurin entspannt.

Von Liebesreigen und Spielverderbern

Am Abend des Coronation Day persifliert man in Miesbach das „Geckentum“ aufs gemeinste. Zwei in rosafarbenen und hellblauen Anzügen gekleidete Endzwanziger der besseren Gesellschaft, wunderbar klebrig wie gestelzt zum Leben erweckt von Michael Probst und Helmut Enzinger, verstricken sich in ein Liebesränkespiel vom Feinsten. Die Angebeteten, weder unschuldige noch besonders helle jungen Damen, werden herrlich skurril von Sonja Fischbauer und Ute Bauer auf die Bühne gebracht. Die Liebespaare haben sich schnell gefunden. Trotz der einen oder anderen Flunkerei der männlichen Seite. Das große Glück scheint nah.

Bunbury Mutter und Tochter: Es scheint für Gewendolen (Ute Bauer links) kaum auszuhalten, was sie sich von Lady Bracknel (Monika Greindl li.) anhören muss. Foto: Michael Schulte

Wäre da nicht die Gesellschaftsdame Lady Bracknell (Monika Greindl), der „Bunburyismus“ der beiden liebestollen Herren sowie die so erotische Ausstrahlung des Namens Ernst. Denn wir befinden uns in der wunderbaren literarischen Wunderwelt eines Oscar Wilde. Was so locker, flockig und boulevardesk daherkommt, hat es durchaus in sich. Die so feine britische Gesellschaft wird nach allen Regeln der Wortkunst vorgeführt.

„Unbedingt“ ein Butterbrot

Ein großer Spaß auf der kleinen Miesbacher Bühne. Die Laien-Inszenierung allerdings beschränkt sich nicht auf die britische Moralheuchelei, sondern importiert kurzerhand die schmierige Oberflächlichkeit in den heimischen Alltag. So serviert der herrlich über den Dingen stehende „Butler“, vortrefflich in Szene gesetzt von Wolfgang Wastlhuber, zur Teatime Butterbrote mit Gurken statt des obligatorischen Gurkensandwichs.

Der Butler alias Wolfgang Wastlhuber reicht scheinbar demütig seinem Herrn die Butterbrote – unbedingt. Foto: Michael Schulte

Auch beim Wechsel des minimalistisch gehaltenen Bühnenbildes (Ute Bauer, Regina Weber-Toelpel und Pia von Miller) von der glamourösen Londoner Stadtresidenz hinaus in einen Garten in der englischen Provinz, beschleicht einen das Gefühl: In Oberbayern könnte das auch sein. Letzte Zweifel, man selbst sei nicht irgendwie involviert in das absurde Treiben auf der Bühne, werden weggesungen. Immer dann, wenn Roman Postel, begleitet am Keyboard von Peter Mittermeier, das Spiel auf der Bühne mit seinen Gesangseinlagen zum Stillstand bringt.

Männer sind Schweine

Ein beliebtes und bekanntes Stilmittel von Regina Weber-Toelpel. Bereits bei früheren Aufführungen der „Jungen Bühne Miesbach“ funktionierte dieser Kniff. Bei Bunbury gelingt es der Regisseurin erneut durch eingestreute Musikeinlagen aus einem guten Theaterstück eine ganz besondere Inszenierung auf die Bühne zu bringen. Wenn Roman Postel aus tiefster Überzeugung sein „Männer sind Schweine“ der Ärzte oder Peter Krauss‘ „Sugar Baby“ hinausschmettert, bleibt kein Auge im Zuschauerraum trocken. Es wird mitgesungen, während der Sänger den einen oder anderen kessen Hüftschwung zum Besten gibt. Unbewegt verstummen in diesen Momenten die Schauspieler im Hintergrundbild.

Bunbury Als Schlagerbarde Roman Postel die Bühne betritt, versteinern die beiden Pärchen reglos. Foto: Michael Schulte

Eingebettet in dem in Zusammenarbeit mit Maria Harpner übersetzte und von Anatol Preissler überarbeitete Bühnenstück vom Oscar Wilde entfaltet sich eine Melange aus urenglischer Sprach-Groteske und deutschem Schlager. So könnte mein persönliches Text-Highlight im Stück ebenso gut eine Liedzeile in einem der wunderbar lakonisch dargebrachten Schnulzen sein: „Ein Baum hat Äste, hätte er keine, wäre er nur ein Pfahl.“ An dieser Stelle würde der Butler seine Standardfloskel „Unbedingt“ im Stück zum Besten geben. Ein Lacher ist ihm sicher – jedes Mal.

Liebe kennt keine Moral

Die moralischen Instanzen in diesem Liebesreigen, die natürlich auch bei einer Komödie von Oskar Wilde nicht fehlen dürfen, werden köstlich vom unbedarften Landpastor Chasuble (Thomas Mayer) und der ihn anbetenden, doch scheinbar tugendhaften Miss Prism, gespielt von Verena Flossmann, verkörpert. Wen wundert’s – dem dritten glücklichen Paar im Schlussbild von Bunbury.

BunburyPastor und Governante – Thomas Mayer und Verena Flossmann – betrachten argwöhnisch das Gespräch zwischen Mündel und Vormund. Foto: Michael Schulte

Zwischen „Für dich soll’s rote Rosen regnen“ von Marlene Dietrich gelingt dem Ensemble der Jungen Bühne Miesbach ein wunderbares Theatererlebnis. Mal „Ganz in weiß“ mit seinem „Namen an der Tür“, mal mit „So ein Mann“ und aber bloß „Keine Schokolade“ dazu. Dem mitsingenden und fast textsicheren Publikum hat der Theaterbesuch hörbar viel Freude sowie die eine oder andere schöne Erinnerung beschert. Ganz gerührt war auch die Mutter der Regisseurin, die am Premierenabend im Publikum saß, wie Regina Weber-Toelpel nach der Aufführung verrät: „Mein Vater war Musiker. Ich bin mit diesen Liedern aufgewachsen. Sie sind eine so schöne Erinnerung für uns.“

Lesetipp: Junge Bühne Miesbach on Tour 2022

Bunbury Die Regisseurin Regina Weber-Toepel inmitten ihrer Schauspielgruppe beim Schluss-Applaus. Foto: Michael Schulte

Warum jedoch der nicht nur sprichwörtliche „Ernst“ in der Komödie eine so aphrodisierende Wirkung im Stück von Oscar Wilde spielt und wer oder was Bunbury ist, müssen Sie, lieber Leser, allerdings selbst herausfinden. Gelegenheit dazu bietet sich im Theatersaal des Bräuwirts am unteren Markt in diesem Monat noch genügend.

Termine für weitere Aufführungen von „Bunbury – Ernst sein ist alles“ der Jungen Bühne Miesbach sind: 13., 14., 19., 20. und 21. Mai um jeweils 19:00 Uhr im Saal des Bräuwirts in der Kreisstadt. Karten gibt es online, beim Buch am Markt und an der Abendkasse.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf