Menschenbilder des Holzbildhauers

Der Holzbildhauer Andreas Kuhnlein vor seinem Kunstwerk „Ikarus“. Foto: IO

Ausstellung in Prien am Chiemsee

Andreas Kuhnlein zeigt in der Galerie im Alten Rathaus noch drei Wochen die Ausstellung „Dem MenschSein auf der Spur“ – und lud am 30. September zu einer anderthalbstündigen Exklusivführung ein. Begleiten Sie uns auf einer unterhaltsamen, faszinierenden und lehrreichen Tour durch die Ausstellungsräume!

Die Führung von Andreas Kühnlein fand reges Interesse. Foto: IO

Das Spektrum des Dargestellten ist breit gefächert

Der Holzbildhauer aus dem Chiemgau präsentiert in der Galerie im alten Rathaus auf drei Etagen seine meisterlichen Werke, die repräsentativ für sein bisheriges Lebenswerk stehen. Als anthropologisch, philosophisch, soziologisch, ja sogar durch das thematische Aufgreifen der griechischen Mythologie als archäologisch ließen sich die gezeigten Werke beschreiben. Das Dargebotene reicht von landwirtschaftlicher Massenproduktion über volkstümliche Literaturklassiker bis hin zur griechischen Mythologie. Allen Kunstwerken gemein ist die philosophische Komponente sowie die besondere Ästhetik in der Ausführung.


Das Ensemble „Heldentod“ entstand in Zusammenarbeit mit zwei Töchtern Andreas Kuhnleins. Foto: IO

Ungewöhnliches Kunsthandwerk bedarf ungewöhnlicher Techniken

Die punktuelle Lichtführung in der Galerie lässt die Skulpturen geheimnisvolle Schatten werfen und bringt ihre stark zerklüftete Oberfläche dramatisch zur Geltung. Auf den ersten Blick erinnert die Oberfläche der geschaffenen Mensch- und Tierfiguren an Anatomiedarstellungen der Schulmedizin, bei welchen die Muskel- und Sehnenstränge des Körpers detailliert abgebildet sind. Bei genauerem Hinsehen ist das reliefartige Zusammenspiel der Schnitte ins Holz sichtbar. Als der Künstler erklärt, wie diese Formen zustande kommen, blickt er in die vor Erstaunen weit aufgerissenen Augen seiner Zuhörenden – Anstatt zu Hammer und Schnitzkeil greift Andreas Kuhnlein zur Kettensäge!

Bereits im Treppenhaus empfangen die humanoiden Figuren die Besuchenden. Foto IO

„Mit der Kettensäge kann ich mich am besten ausdrücken.“ [Andreas Kuhnlein]

Die Kunstwerke wirken trotz ihrer wuchtigen Struktur und ihrer beachtlichen Größe erstaunlich filigran und detailreich. Die Präzision in der Ausführung und in der Handhabung des schweren Arbeitsgeräts macht sprachlos und lässt eine Vielzahl an Assoziationen zu. Die Optik der Oberfläche ist genau so facettenreich wie das seelische Innenleben des Menschen. Auch der Holzbildhauer selbst stellt wohl keine Ausnahme dar, denn er erklärt lachend: „Am schnellsten geht’s, wenn man richtig grantig ist.“ Um so unvoreingenommen wie möglich zu arbeiten, schreitet Kuhnlein bei freien Arbeiten ohne eine Vorskizze ans Werk.

Totholzverwendung als moderne Recyclingform des Holzbildhauers

Die Arbeiten entstehen durch Schnitte der Kettensäge aus dem ganzen Stamm. 90 % der Figuren sind in Eiche gearbeitet, wobei Totholz verwendet wird, das nicht gewaltsam seinem natürlichen Kreislauf entrissen wurde. Diese Ethik im Schaffensprozess geht einher mit Andreas Kuhnleins ökologischen und gesellschaftlichen Anliegen.


Die Werke des Holzbildhauers regen zum Nachdenken an. Foto: IO

„Ein Bewusstsein zu schaffen, darum geht es.“ [Andreas Kuhnlein]

Bei einigen Werken schwingt eine Gesellschaftskritik mit, die aufgrund der Feinfühligkeit Andreas Kuhnleins ohne erhobenen Zeigefinger auskommt. So zeigt „…Das Wasser… und die Farben – ein Traum!“, 2022 in Esche gearbeitet, den Holzkörper eines Telefonierenden, welcher bis zum Torso in Plastikmüll zu versinken droht. Die Botschaft könnte nicht eindeutiger sein: Genießt die Natur, doch ohne ihr zu schaden. Durch das aktivistisch anmutende Aufgreifen umweltpolitischer Thematiken möchte der Holzbildhauer in „Dem MenschSein auf der Spur“ Denkanstöße setzen und das Bewusstsein für unser Handeln schärfen.

Lesetipp: Andreas Kuhnleins Spuren des Menschseins


Die Skulpturen von Andreas Kuhnlein erzählen Geschichten. Foto: IO

Künstler mit Kopf und Herz

Das herausragende gesellschaftliche Engagement des Holzbildhauers zeigt sich auch in seinem neuesten Projekt, der Gestaltung des Andachtsraumes der Pfarrkirche St. Martin in Unterwössen. Dieser Ort ist nicht nur als Geburtsort von Andreas Kuhnlein bekannt, sondern hat ebenso als Ort des Kindesmissbrauchs durch die katholische Kirche Schlagzeilen gemacht. Die Ausstattung des Gedenkzimmers ist dem Künstler eine persönliche Angelegenheit, denn er sieht sich wie viele bis auf den heutigen Tag schockiert und fassungslos angesichts der Vorkommnisse, vor allem in Anbetracht der Reaktion der Gemeinde angesichts der Vorwürfe. Der Andachtsraum setzt nun ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern und schafft Hoffnung für kommende Zeiten.

Auch in Zukunft dürfen wir auf weitere Kunstwerke von Andres Kuhnlein gespannt sein

Während sich andere Männer in seinem Alter getrost in den wohlverdienten Ruhestand zurückziehen würden, denkt der 69-Jährige nicht im Traum daran. Eifrig und produktiv bleibt er bei der Kunst. Seine nächste Ausstellung wird in einem norditalienischen Castello stattfinden und es werden noch viele weitere folgen. Es bleibt uns nur zu sagen: Andreas, wir ziehen ehrfürchtig den Hut vor dir!

Die Ausstellung wird seit 17. September gezeigt und ist noch bis 6. November donnerstags von 18 bis 20 Uhr sowie freitags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr in der Alten Rathausstraße 22 in Prien zu besichtigen. Weitere Informationen unter Rathausgalerie Prien und unter 08051 92928.

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