Helmfried von Lüttichau Solo

Schliersee flippt aus

Helmfried von Lüttichau Solo und „Plugged“ beim Schlierseer Kulturherbst. Foto: IW

Schlierseer Kulturherbst

Was scheinbar harmlos als Solo-Bühnenshow beginnt, steigert sich zu einem Feuerwerk aus Verwandlungen und Überraschungen: Schauspieler, Lyriker und – an diesem Abend vor allem – Rockmusiker Helmfried von Lüttichau rockt das Bauerntheater beim Schlierseer Kulturherbst mit seinem „Plugged – Soloprogramm“ während er erzählt, warum er kein Rockstar wurde.

Mit „Begabung zur Ungeschicklichkeit“ sei er immer schon ausgestattet gewesen, erzählt der Wahl-Schlierseer grinsend, nachdem er die Bühne Rockstar-mäßig betreten hatte: „Are you ready?“, mit seiner E-Gitarre, um diese gleich darauf kleinzureden. Helmfried von Lüttichau, wenn er eines nicht kann: Aufschneiderei. Eher tiefstapeln. Und das macht ihn so sympathisch und nahbar. Nicht erst sein Freund und kongenialer Kollege Christian Tramitz hätte ihn als „Bewegungslegastheniker“ bezeichnet. So wäre er schon in seiner Kindheit und Jugend gewesen. Dabei hätte er doch immer nur cool sein wollen, wie ein Rockstar eben.

Helmfried von Lütttichau mimt den 15-Jährigen mit Geige
von Lüttichau mimt den 15-jährigen Helmfried mit Geige. Foto: IW

Zumindest so cool wie der Coolste aus der Klasse, Gonzo, der am Lagerfeuer zur Gitarre Bob-Dylan-Songs vernuschelte, weil er kein Englisch konnte, aber immerhin wie ein Rockstar aussah. Nicht wie er selbst, um jeden Zentimeter seiner Beatles-Frisur kämpfend und doch nur ein pickeliger Prinz-Eisenherz, der schließlich den Spitznamen „Pril“ weghatte wegen der Pril-Blumen an seinen Schlaghosen, selbst draufgemalt, versteht sich. Aber eben Pril statt Gonzo. Geige statt Gitarre. Zuagroaßter noch dazu, der fleißig Bairisch lernte, denn sprachbegabt, das war er immer schon. Und mit einem enormen komödiantischen Talent ausgestattet, weshalb sich Karl Valentin nachgerade als Vorbild anbot. Dessen Eltern waren schließlich auch keine Bayern gewesen. 

Mit und ohne Staller

So in etwa beginnt Helmfried von Lüttichau auf der Bühne, mit der E-Gitarre, die er als Geige missbraucht, um die ganze Jugendmisere zu untermalen. Und dann legt er los. Und holt aus. Und startet ein Feuerwerk an Anekdoten, eine komischer als die andere. Tragikomisch oftmals, mit Weh im Lachen. Von der Kindheit zur Schauspielschule, wo er doch mal was anderes geben sollte als den Fernandel-gesichtigen Komiker, zum Theater, zum Film schließlich, zum Hubert mit – und dann eben ohne Staller.

Helmfried von Lüttichau mit Christian Tramitz
Gelungene Überraschung: Duo mit Christian Tramitz. Foto: IW

Aber nicht nur Hubsi muss ohne Staller zurechtkommen, auch Staller, also Helmfried, ohne Hubsi. Beim Satz „Derzeit bin ich solo“ würde immer so die Bedürftigkeit durchsickern, lässt er wissen. Und stimmt auf der E-Gitarre ein Liedchen von Paul Hörbinger an, dem Opa von Christian Tramitz, das ziemlich einsam, so ganz „Staller ohne Hubert“ klingt – bis er kurz flucht „da fehlt eine Geige!“ und der wahrhaftige Christian Tramitz auf die Bühne kommt. Helmfried von Lüttichau, der Ex-Pril, heute Abend (k)ein Rockstar, mit der E-Gitarre und der coole Freund und Kollege mit der – tatsächlich! – Geige. Frenetischer Beifall ist ihnen sicher. Die erste Überraschung des Abends ist gelungen.

Helmfried von Lüttichau Solo und „Plugged“

Helmfried von Lüttichau Solo liest: "Was mach ich wenn ich glücklich bin
Der Lyriker mit seinem Gedichtband „Was mach ich wenn ich glücklich bin“. Foto: IW

Sprühend vor Wortwitz, mit der sympathischen Zurückhaltung und Ungeschicklichkeit, die er wie kein anderer kultiviert hat, geht der Abend weiter. Dialekte, Anekdoten, Zitate, Sprüche – der verhinderte Traum über Jahrzehnte, auf der Bühne ein Revoluzzer zu sein und ein Rockstar. Die wenigsten wissen, dass Helmfried von Lüttichau auch ein Lyriker ist, nicht nur im tiefsten Herzen, sondern auch auf dem Papier.

Lesetipp: Porträt Helmfried von Lüttichau in der 29. Ausgabe der KulturBegegnungen

Mit diesem Soloprogramm hat er endlich wieder die Gelegenheit, auch die eigenen Gedichte unters Publikum zu bringen. „Die Welt hat nicht auf mich gewartet“ heißt eines, dass er aus seinem Buch „Was mach ich wenn ich glücklich bin“ liest. „Ich fürchte nichts“, vertont, singt er zur Gitarre. Ein Gedicht aus der Zeit ohne Engagements: „Mein Telefon passt in kein Gedicht – es klingelt nicht.“ Kurz, knapp, tragisch, die Lacher auf seiner Seite. Hier steht der Liedermacher mit Rockstarqualitäten (oder umgekehrt) auf der Bühne. Und immer lacht er aus vollem Herzen über sich selbst und das ist in jeder Minute seines Programms ansteckend.

Helmfried von Lüttichau Solo und "Plugged"
Damals, mit Prinz-Eisenherz-Frisur, Federhut und Webponcho… Foto: IW

Hut ab, Hut auf, Feder dran – das Schönste an der Schauspielerei sei nicht der Text, sondern die Verkleidung. In dieser zitiert er nun Robert Gerhardt, den Dichter, Humorist, Philosoph, Maler und Zeichner und sein großes Vorbild. Aber auch mit der Lyrik, dem Slapstick, dem Kabarett ist er noch nicht am Ende des Abends voller Überraschungen. Der Knaller kommt noch: „Ich brauch Rock-Feeling!“, ruft er.

Helmfried von Lüttichau rockt mit Band
„Go, Johnny, go!“ Helmfried von Lüttichau rockt mit Band. Foto: IW

Und – Simsalabim – der Vorhang hebt sich und seine Rockband ist da: Dominikus Wegmann am Schlagzeug, Bastian Krauß an der Gitarre und Sabrina Kisslinger am Bass. Und jetzt legt er erst richtig los. Jetzt rockt Helmfried von Lüttichau das Schlierseer Bauerntheater „Wia a Kind beim spuiln – i lass ois raus“. Jetzt zeigt er es Gonzo und der Welt und auch sich selbst: „Go, Johnny, go!“ Das kann er nämlich, der Schauspieler, Komiker, Lyriker und Rockstar mit Liedermacherqualitäten (oder umgekehrt). Die Überraschung ist gelungen, die Leute im Publikum sind vollends begeistert, außer Rand und Band, ja, Schliersee flippt mal richtig aus wie ein Rockstarpublikum das eben so macht. 

Der Schlierseer Kulturherbst geht noch bis zum 30. Oktober 2022. Das komplette Programm befindet sich auf der Webseite des Schlierseer Kulturherbstes.

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