Hubert Sielecki

Der längste Kuss

Hubert Sielecki und Kurt Brazda vor „Der längste Kuss“. Foto: Hannes Reisinger

Thementag in Fratres

Im Mittelpunkt des vierten Thementages der Kulturbrücke Fratres stand das filmische Werk von Hubert Sielecki, der mit seinen unverwechselbaren Kurzfilmen das Publikum begeisterte. Ausstellung, Lesung und Konzert vervollständigten einen kulturellen Samstag voller Höhepunkte.

Die Thementage bei unserem Kulturpartner im niederösterreichischen Waldviertel, der Kulturbrücke Fratres sind etwas Besonderes. Üblicherweise wird ein Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln, etwa aus der Sicht der Kunst, der Literatur, der Wissenschaft, der Musik beleuchtet.

Beim Thementag „Der letzte Kuss“ indes hatte sich der Tagesverantwortliche Hubert Sielecki Mitstreiter seiner Wahl auf den Gutshof in Fratres eingeladen, deren Kunst zu seinen Filmen passte.


Helmut Prathls Bilder sind farbstark und expressiv. Foto: MZ

Die Ausstellung bestreitete der Maler, Grafiker und Objektkünstler Helmut Parthl aus dem Burgenland. Seine farbstarken, expressiven Bilder enthalten unterschiedliche Materialverbindungen und Techniken. Sie zeigen menschliche und tierische Figuren, abstrakte Formen und reduzierte Landschaften.


Helmut Prathl mit Tochter Sophia Moder. Foto: Hannes Reisinger

Tochter Sophia führte mit einem liebevollen Text in die Ausstellung ein. Die 14-Jährige, die mit eigenen bemerkenswerten Zeichnungen die Ausstellung ergänzte, erzählte den Lebenslauf und beschrieb die Malweise ihres Papas, freischaffender Künstler. „Das bedeutet, dass er kein regelmäßiges monatliches Einkommen von Geld hat, sondern vom Verkauf seiner Bilder lebt.“

Bilder erzählen Geschichten

Er fertige seine Maluntergründe und Rahmen selbst und arbeite mit Pinseln und Walzen, male mit Acryl und auch mit selbstgemischten Temperafarben. Seine Kohlestifte stelle er aus Weidenholz oder Weinreben her. Sein Malstil sei narrativ, die Bilder würden also Geschichten erzählen. In diese Geschichten kann der Betrachter eintauchen, aber auch seine eigne Fantasie spielen lassen und Assoziationen herstellen.

Hubert Sielecki
Hubert Sielecki (r.) und Kurt Brazda. Foto: MZ

In diesem Sinne passt die Ausstellung ideal zu den erzählenden Filmen von Hubert Sielecki, einst Lehrer von Helmut Parthl, aus den Jahren 1983 bis 2021. Moderiert von Kurt Brazda, Regisseur, Kameramann und Fotokünstler, konnte das Publikum einen Einblick in Leben und Werk des Universalkünstlers Hubert Sielecki gewinnen. Er ist nicht nur Filmer, sondern ebenso Maler, Objektebauer, Lehrer und Musiker.

Seine experimentellen Animationsfilme haben Kultstatus und sind witzig, poetisch, nachdenklich und oft kombiniert mit der Lautmalerei von Gerhard Rühm.

Hubert Sielecki
„Die Fliege“. Foto: Hannes Reisinger

„Die Fliege“, ein Film aus dem Jahre 1969, zeigt eine Möglichkeit, wie man eine lästige Fliege beseitigen kann. Warum der Protagonist, es ist Hubert Sielecki selbst, diese Methode wählt, wird erst am Fimende klar, hier sei schon bemerkt, dass alle Filme auf dem YouTube Kanal des Künstlers angeschaut werden können und sollten.

Ein komisch-abstruser Film trägt den Titel „Liebe“, in dem der Filmer eine Anleitung gibt, wie man zueinander findet, indem er romantische Musik und ebensolche Dialoge mit verzerrten Bildern verknüpft.

Filme mit Gerhard Rühm

Ein wichtiger Künstler für seine Filme sei der österreichische Schriftsteller Gerhard Rühm gewesen, erzählte Hubert Sielecki. Nach seinen expressionistischen, rhythmischen und lautmalerischen Gedichten drehte er mehrere Filme. Dies sei keine Bebilderung der Texte, sondern stelle eine gleichwertige Kunst dar, konstatierte Kurt Brazda. Sie bestehe im Weglassen, denn man könne auch mit Bildern einen Text kaputtmachen.

Sehr rhythmisch die Geschichte von Kain und Abel, sehr überraschend das Ende des Zahlengedichts und wunderschön die filmische Umsetzung von „Levitation“. Wer sich von Rühms „Der längste Kuss“ etwas Romantisches versprochen hat, wurde enttäuscht. Stattdessen tritt Hubert Sielecki selbst achtfach als Arzt oder Krankenschwester auf und verkündet in Rühmscher Lautmalerei, wie viele Parasiten und Bakterien Klara und Hannes beim Versuch den Rekord des letzten Kusses zu brechen, austauschen. Köstlich.

Hubert Sielecki
Raumausstatter Stagl. Foto: Hannes Reisinger

Hubert Sielecki arbeitete auch mit anderen Künstlern, wie Pavel Novotny, Sophie Reyer oder Maria Lassnig zusammen. Köstlich die von Maria Lassnig selbst gesungene Moritat mit dem Finale “Statt Liebe habe ich den Fernseher“.
Als seinen Lieblingsfilm bezeichnete der Künstler „Raumausstatter Stangl“. Selbiger sitzt am Strand und wiegelt alle eingehenden Kundenanfragen damit ab, dass man so etwas schon lange nicht mehr mache.

„Stille Nacht“

Oft sind die Filme politisch oder gesellschaftskritisch, wie in „Stille Nacht“, hinterlegt mit Konsum ebenso wie mit Krieg, Zerstörung und Flucht.


Antonio Fian. Foto: Hannes Reisinger

Mit dem Film “Radetzkyplatz“ von Antonio Fian war der Übergang zum nächsten Programmpunkt gegeben. Der österreichische Schriftsteller las aus seinem neuesten Buch „Wurstfragen“. Die hintergründigen, satirischen, vom politischen und gesellschaftlichen Leben abgeschauten Dramolette oder Minidramen erschienen im “Falter“ und im „Standard“.


Kollegium Kalksburg. Foto: Hannes Reisinger

Die Lesung wurde vom Kollegium Kalksburg mit Heinz Ditsch, Paul Skrepek und Wolfgang Vincenz Wizlsperger begleitet. Die Verbindung der satirischen Texte mit der Musik der düsteren Wiener Seligkeit beendete eine überaus gelungene Veranstaltung.

Der letzte Thementag 2022 findet am Samstag, 10. September ab 15 Uhr in Fratres 11, A-3844 Waldkirchen/Thaya zum Thema „Heuschrecken statt Steaks? Die Zukunft der Ernährung“ statt. Am Freitag, 26. August, 19 Uhr, veranstalten die Wiener Philharmoniker im Kultursaal ein Abschlusskonzert des Internationalen Musikmeisterkurses. Es wird eine Auslese der besten jungen Musiker Europas, die an dem Meisterkurs teilnehmen, in Fratres auftreten.

Zum Weiterlesen: Wiener Philharmoniker leiten Musik-Meisterkurs

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