Alles beginnt mit einem Klumpen Ton

Im „Skulptigarten“ von Hilo Fuchs. Foto: Hannah Miska.

Keramikkurs am Tegernsee

Ein Leben ohne Keramik ist möglich, aber sinnlos – so in etwa sieht es die Künstlerin Hilo Fuchs. Nachdem man einen Workshop bei ihr absolviert hat, hat man einen ähnlichen Blick auf die Welt.

Ob ich nicht Lust hätte, an einem Keramikkurs teilzunehmen? Die Frage traf mich urplötzlich und unerwartet. Gerade noch hatte ich völlig entspannt mit Karoline geplaudert, und dann – zack – diese Frage. Karoline ignorierte meine Irritation, erzählte, dass sie mit ihrer Freundin Gabriele einen Keramikkurs besucht hätte, zückte ihr Handy, zeigte mir das Ergebnis (eine witzige, ihr nicht unähnliche Keramikfigur) und strahlte. Natürlich konnte Karoline nicht wissen, dass ich absolut talentfrei bin, was künstlerisches Gestalten angeht – sofort kamen Erinnerungen zurück an meine Schulzeit und an den von mir so gehassten Zeichenunterricht.

„Gabriele und ich haben uns für einen zweiten Kurs angemeldet“, fuhr Karoline ungerührt fort, „wir brauchen aber noch einen dritten Teilnehmer, damit der Kurs stattfindet.“ Es arbeitete in mir. Tatsächlich habe ich ein Faible für Keramikfiguren, aber selber machen? Nein! „Es macht wirklich Spaß, Hilo Fuchs, die Künstlerin, ist total nett und hilft.“, setzte Karoline nach. „Und außerdem solltest Du unbedingt nicht nur die Künstlerin, sondern auch deren Haus und Skulpturengarten kennenlernen. Absolut sehenswert!“ Nun schaltete sich auch mein Mann ein. „Mach das doch, ist bestimmt cool!“

Keramikkurs „Sitzende Figur“ bei Hilo Fuchs

Seufzend gab ich auf und meldete mich für den Zweitages-Workshop „Sitzende Figur“ bei Hilo Fuchs an. Erst später sah ich bei einem Blick auf deren Website, dass sich der Kurs an „Fortgeschrittene und ambitionierte Anfänger“ richtet – aber da war es schon zu spät.

Der Workshop nahte, ich wurde zunehmend nervöser, aber endlich war es soweit. Hilo – „wir duzen uns im Kurs, ist das in Ordnung?“ – begrüßte uns in ihrem Zuhause, das tatsächlich atemberaubend schön hoch oben über dem Tegernsee liegt. Die Künstlerin machte mich mit ihren zahlreichen Eigengeschöpfen bekannt, sämtlich Frauen in jedwedem Outfit: im verführerischen kleinen Schwarzen mit edlem Ohrgehänge, im Dirndl mit großem Dekolleté, mit Wanderschuhen und Rucksack oder auch nur im knappen Bikini; geschminkt oder ungeschminkt, mit oder ohne Kopfbedeckung, bebrillt und unbebrillt: Eine kunterbunte Schar von äußerst originellen Keramikfiguren, die da ums ganze Haus herumwuseln.

Lesetipp: Entschleunigung mit Keramik

Aber schon ging es in die Werkstatt (mit Seeblick) und während Karoline, Gabriele und ich einen Arbeitsplatz, Arbeitsmaterialien und Werkzeug bekommen, erzählt Hilo Fuchs ein wenig von sich: Eigentlich habe sie eine Holzbildhauer- und Schnitzerausbildung absolviert, das Medium habe ihr aber nicht so toll gefallen. Schnell hätte sie zur Keramik gefunden, experimentierte aber auch mit anderen Materialien, fing an, ihre karikaturenhaften „Hilographien“ zu malen, beschäftigte sich mit klassischer Malerei. Bevor sie sich jedoch voll um ihre Künstlerkarriere kümmern konnte, musste sie sich zunächst eine finanzielle Grundlage schaffen – in ihrem „Brotjob“ beim Bayrischen Fernsehen. Irgendwann war es aber soweit und die Münchnerin wagte – zum Entsetzen ihrer besorgten Mutter – den Sprung ins kalte Wasser: Im Alter von vierunddreißig Jahren begann Hilo Fuchs ihr Leben als selbständige Künstlerin.

Keramikkurs
Hilo (l.) und Gabriele. Foto: Hannah Miska.

Inzwischen haben Karoline und Gabriele (die Fortgeschrittenen) und ich (nervöse Anfängerin) einen dicken Batzen Ton vor uns. Und während Karoline und Gabriele schon genau wissen, was sie machen möchten (Gabriele: eine Büste, Karoline: eine lässig fläzende Flower Power Frau mit Hut), bekomme ich eine kleine Einweisung in die Grundlagen des Modellierens. Es dauert nicht lange und ich bin dabei, Oberschenkel und Unterschenkel zu formen und sie mit Knien und Füßen zu versehen. Eine Zeichnung von Hilo hilft mir, die Proportionen des Oberkörpers richtig hinzubekommen, und schon arbeite ich am Rumpf. Der Ton fasst sich herrlich an, man muss ihn feucht halten, damit er formbar bleibt, und darüber hinaus darauf achten, dass beim Formen und Andrücken keine Luftblasen entstehen.

Keramikkurs am tegernsee
Karoline (l.) und Hilo. Foto: Hannah Miska.

Wir arbeiten emsig, die Zeit vergeht wie im Fluge und schon ruft Hilo zur Mittagspause. Sie hat eine leckere Quiche vorbereitet, dazu gibt es einen Salat, wir sitzen und essen im stilvollen Wohnzimmer, in dem uns – natürlich – weitere Hilo-Figuren Gesellschaft leisten. Angeregt unterhalten wir uns über Kunst, Philosophie, Gott und die Welt, aber schon gibt Hilo das Zeichen zum Weitermachen.

Keramikkurs am tegernsee
Blick aus dem Wohnzimmer. Foto: Hannah Miska

Der Schreck kommt – jedenfalls für die „ambitionierte Anfängerin“ – am Nachmittag. Hatte ich mich vormittags noch gefreut, einen halbwegs ansehnlichen Oberkörper mit Beinen hinzubekommen, muss ich nun lernen, dass der gesamte Körper ausgehöhlt werden muss, weil sonst die Figur im Backofen platzt. Uff. Zum Glück ist bald schon wieder Kaffeepause und auf der Terrasse hoch über dem See ist jeglicher Stress sofort vergessen. An den nächsten Tag, an dem der Kopf unserer Figur geformt werden muss – das Schwerste bei der ganzen Angelegenheit – denken wir da noch nicht.


Künstlerpause hoch über dem See. Foto: Hannah Miska.

Hilo Fuchs ist eine leise Lehrmeisterin. Dezent hält sie sich im Hintergrund, ist aber sofort zur Stelle, wenn man sie braucht. Und auch, wenn sie reichlich helfen muss, gibt sie einem das Gefühl, dass man unheimlich toll und geschickt ist.

Kuh statt Löwe als wappentier

Der zweite Tag verläuft ebenso arbeitsam und unterhaltsam wie der Tag zuvor. Hilo, eine kluge und interessante Frau, ist sehr offen und neugierig auf andere – und so haben wir alle enormen Spaß miteinander. Schwer zu sagen, was hier wichtiger ist: das Reden, das Lachen oder die Keramik. Auf unsere Frage nach der Keramik-Kuh im Atelier erläutert die mit einem subtilen Humor ausgestattete Künstlerin ganz ernsthaft, dass das ihr Gegenentwurf zum bayrischen Wappentier, dem Löwen, sei. Was denn ein Löwe in Bayern zu suchen hätte? Wir hätten es doch in Bayern eher mit Kühen und Rindviechern zu tun.


Hilos Idee für das neue Wappentier Bayerns. Foto: Hannah Miska.

Auch Hilos Keramikfliesen, mit denen sie „Sprüche klopft“, tragen zur Heiterkeit bei. Die Fliese „ich mag meine freundinnen. fast alle haben einen schlag“ gefällt mir am besten. Aber nachdem uns die politisch sehr interessierte Hilo erzählt, dass sie tatsächlich einmal für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert hat, finde ich auch die Fliese mit dem Text „ich bin froh, nun doch keine bundespräsidentin geworden zu sein“ sehr witzig. Mit ihren künstlerisch gestalteten Urnen betritt die Künstlerin absurdes Neuland. Sie findet, dass man doch schon zu Lebzeiten die Urne ins Wohnzimmer holen solle – als Erinnerung daran, das Paradies bereits im Irdischen einzurichten. Eine skurrile Idee, die vermutlich nicht jedem behagt, aber bei genauerem Nachdenken vielleicht gar nicht so unsinnig ist. Ihre als Erdbeertorte gestaltete Urne würde jedenfalls ganz wunderbar zu Elton John passen, findet sie, und fahndet seit langem nach der Adresse des britischen Popstars.

Gegen Ende des zweiten Tages wird es knapp mit der Zeit, wir müssen uns sputen und geben unseren Figuren bei einem Glas Prickelwasser den letzten Tupfer Farbe aufs T-Shirt oder auch ins Gesicht. Wundervoll war’s, da sind wir uns alle einig, und einige Wochen später nehmen Karoline, Gabriele und ich beglückt unser Keramik-Kunstwerk in Empfang.


Eulalie. Die sitzende Figur der Autorin. Foto: Hannah Miska.

Hilo Fuchs bietet die verschiedensten Kurse an – sitzende Figuren, Büsten oder Köpfe, Free Style, Acrylmalerei – dazu gibt es Tutorials auf ihrer Website (www.hilofuchs.com). Wer also ein paar Tage mit den Freundinnen verbringen will oder noch kein Geburtstagsgeschenk für die Familie hat: Das kreative Wochenende bei Hilo Fuchs am Tegernsee ist ein Hit. Aber Vorsicht: Es besteht Suchtgefahr.

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