Kollegiale Beratung

Kollegiale Beratung in Beruf und Ehrenamt

Kollegiale Beratung. Foto: pixabay

Wenn schwierige Fälle in einer Gruppe zu lösen sind, ob im Beruf oder im Ehrenamt, dann kann die Kollegiale Beratung hilfreich sein. Der Neuhauser Diplom-Pädagoge Wolfgang Schindler hat mit seinem Kollegen Gerhard Spangler ein Buch herausgegeben, das die Methode online und offline beschreibt.

Die Kollegiale Beratung ist das Gegenstück zur externen Unternehmensberatung oder Supervision. Hierbei wird nicht ein Coach von außen hinzugezogen, wenn es in einer Gruppe sachliche Probleme zu lösen gibt.

Gleichberechtigte Kolleginnen und Kollegen

Hier sind es gleichberechtigte Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam an die Sache herangehen und nach einem vorgeschriebenen Modell den Fall lösen und zu einer Veränderung des Alltagslebens im Beruf oder Ehrenamt beitragen. An die Grenzen stößt die Methode bei gruppeninternen Spannungen.

In ihrem Buch versammeln die beiden Herausgeber das Wissen aus Theorie und Praxis und arbeiten heraus, dass es auch online zu guten Ergebnissen führt.

Wolfgang Schindler auf Visionssuche

Wolfgang Schindler liegt das Verstehen und Gestalten von Bildungs- und Kommunikationsprozessen am Herzen. Er ist Supervisor, Visionsucheleiter und war bis 2015 stellvertretender Leiter im Studienzentrum Josefstal. Heute ist er Vorsitzender und Geschäftsführer im Institut für Kollegiale Beratung und hat einen Lehrauftrag an der Hochschule München. Im Landkreis Miesbach bietet er in seinem Unternehmen minds-on.net Wege zur eigenen Spiritualität und Naturerfahrung an.

Balint-Gruppen

„Die Methode stammt aus der Weiterbildung von Ärzten“, erklärt Wolfgang Schindler. In sogenannten Balint-Gruppen, benannt nach dem ungarischen Arzt Michael Balint, treffen sich Ärzte, um über schwierige Fälle zu sprechen. Das Ziel dabei sei, Beziehung zwischen Arzt und Patient zu verbessern, was den Heilungsprozess positiv beeinflusse.

Die Kollegiale Beratung habe diese Methode der Peer-to-Peer-Beratung, also der Kommunikation unter Gleichgestellten, auf Gruppen im Proft- und Non-Profit-Bereich übertragen. Der sogenannte Fallgeber trägt der Gruppe seinen Fall vor. „Die Gruppe hört zu und reagiert auf der Ebene des Unbewussten“; erklärt Wolfgang Schindler. Die Teilnehmenden sollten nichts wegfiltern, sondern alles dazu sagen, was ihnen einfällt.

Kollegiale Beratung
Wolfgang Schindler. Foto: privat

Gerhard Spangler ist Religionspädagoge und Supervisor und erklärt in seinem Beitrag das Heilsbronner Modell zur kollegialen Beratung. Es ist streng strukturiert und basiert auf vier Säulen: Der Berufsbezug, der persönliche Fall, die Gruppe als Spiegel und der Aspekt der Selbsterfahrung. Der Prozess selbst findet in zehn Schritten statt.

In 10 Schritten zur Lösung des Falls

Nach Festlegung der internen Leitung wird der Fall vorgetragen. Danach sind Fragen möglich und es werden Einfälle gesammelt. Diese reflektiert der Fallgeber, anschließend werden Lösungsvorschläge erarbeitet, die der Fallgeber kommentiert. Danach können Unklarheiten beseitigt werden. In der Abschlussrunde nennen die Teilnehmenden Situationen, bei denen es ihnen ähnlich ging, mit einem Feedback endet die Sitzung.

Auch online erfolgreich

In der Pandemie habe man feststellen können, dass die Methode auch schriftlich funktioniert, erzählt Wolfgang Schindler. Man habe zwar auch Zoomkonferenzen abgehalten, aber das zeitversetzte Schreiben sei noch wirkungsvoller.

Unter dem Titel „Reden ist Silber, Schreiben ist Gold“ hat dazu Brigitte Koch einen Beitrag im Buch verfasst. Und Wolfgang Schindler schreibt, dass die textbasierte asynchrone Beratung online genauso gut funktioniere wie die reale Kommunikation. Dabei werde die angebotene Plattform zum sogenannten dritten Ort im Netz, wobei Vertraulichkeit Voraussetzung ist. Das Buch erklärt die Nutzung dieser Online-Plattform genau und lässt Nutzerinnen und Nutzer zu Wort kommen.

Kollegiale Beratung
Cover des Buches. Foto: Vandenhoeck & Ruprecht Verlage

Auf dieser Plattform sorge er dafür, dass die Gruppe zustande kommt, erklärt Wolfgang Schindler. Dann bleibe die Gruppe allein. Die „Erleuchtung“ müsse in der Gruppe passieren und die Hoheit liege allein beim Fallgeber. „Die Teilnehmenden empfinden ein hohes Maß an Wertschätzung bei diesem Modell“, sagt der Neuhauser, „sie sind sicher, dass auf Augenhöhe kommuniziert wird und dass vergleichbare Arbeitssituationen vorliegen.“

Wertvolles Instrument

Das Buch gibt neben dem beruflichen Bereich auch ehrenamtlichen Organisationen ein wertvolles Instrument an die Hand, mit Problemen umzugehen. Hier fehlt oft das Budget für eine Supervision. Die Kollegiale Beratung mit Teilnehmenden aus anderen Organisationen in identischer Funktion bietet die Möglichkeit, problematische Fälle zu lösen und zur Personal- und Qualitätsentwicklung beizutragen. Die vielfältigen Beiträge liefern das notwendige Wissen und laden zur Umsetzung im eigenen Bereich ein.

Wolfgang Schindler Gerhard Spangler (Hg.) „Kollegiale Beratung – Online und offline im Heilsbronner Modell, Vandenhoeck & Ruprecht Verlage.

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