Kultur wächst überall

Triptychon in der Kapelle Reingers von Teodor Buzu. Foto: Teodor Buzu

Lesung in Reingers

Kultur – da denkt man an Theater, Opernhäuser, Konzertsäle. Aber Kultur lebt auch da, wo man sie nicht vermutet. Ganz nahe an der tschechischen Grenze, da wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, steht eine kleine ehemalige Aussegnungshalle.

Weil der Friedhof verlegt wurde, brauchte man sie nicht mehr. Ein Bürgermeister und eine Lehrerin ließen sie herrichten – als Kulturbegegnungsstätte. Die Lehrerin heißt Elisabeth Springer. Ihr liegen Kultur und Begegnung am Herzen. Dabei gab es eine Schnittmenge zu KulturVision. Eine Wandmalerei, eine kleine Bühne, Stühle und ein wenig Technik für die Musik.

Die Wandmalerei stammt von Teodor Buzu, einem Künstler aus Moldawien, der seine Liebe im tschechischen Tábor fand und dort an der Kunstakademie unterrichtet. Er gründete die Künstlervereinigung „et cetera…“, die auf Einladung vom Kulturamt Miesbach und KulturVision eine veilbeachtete Ausstellung im Waitzinger Keller präsentierte.

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Er gestaltete auch gemeinsam mit KulturVision ein Highlight in der Kulturbrücke Fratres: den Thementag „Liebe“ mit Oscar-Preisträger Michael Haneke.

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Und ein Verein „Together“ begann zu leben. Bewusst länderübergreifend Tschechien und österreichisches Waldviertel. Seither gibt es die Kunstwochen. Sieben Künstler aus beiden Ländern bleiben eine Woche beieinander. Maler, Musiker, Bildhauer, Literaten – Künstler aus allen Richtungen tauschen sich aus und strahlen aus auf das kleine Dorf Reingers, knapp 700 Einwohner – am nördlichsten Rand des Waldviertels.

In Elisabeth Springers Verein „Together“ ist Teodor Buzu einer der Fixpunkte und er war es auch, der den Thementag „Liebe“ von KulturVision in der Kulturbrücke Fratres mit seiner Malerei begleitete.


Peter Reutterer. Foto: Michael Pelzer

An einem Mittwoch im September sitzen – ohne großes Marketing – etwa 20 Frauen und Männer da. Peter Reutterer liest aus seinen Büchern. Er ist ein Waldviertler, im Reingerser Forsthaus aufgewachsen. Jetzt lebt er schon lange im Salzburger Land und denkt zuweilen ans Heimkommen. Kein Berühmter, keiner den man kennen muss, aber einer, der das Waldviertel in sich trägt: „Bei uns ist das Leben noch ruhiger, die Straßen ziehen sich durch das Land, aber nur ab und zu fährt ein Auto.“

Da sitzt er – ganz unprätentiös – Zettel, ein Buch in der Hand und zuweilen, weil der Musikerfreund krank geworden ist, eine Gitarre. Und die Zuhörer lauschten seinen Geschichten und Gedichten und seinen feinen Gitarrenklängen. Danach ging es ins Wirtshaus – miteinander.

Kultur wächst überall

Kultur wächst überall, wie der Löwenzahn auch aus den kleinsten Ritzen. Das macht Mut.

Ein paar Beispiele von Peter Reutterers Gedichten:

„Er war so freundlich
zu mir
als wären wir niemals
Freunde gewesen.“

„Die Iren nennen die Mauer, die in Belfast Katholiken
von Protestanten trennt
Friedensmauer
so wie die Römer schon
ihre Unterwerfungen
Befriedung nannten.“

„Wenn die Schnalzer
zu Jahresbeginn mit ihren Goaßln
Frost und Schnee nicht vertreiben konnten
versuchen sie es Ende Jänner
noch einmal mit noch lauterem
Krachen und Knallen.

Sollte das wiederum erfolglos bleiben
zerschneiden sie die Winterluft
beharrlich auch Mitte Februar
mit lautem Knattern
spätestens Ende März
sind ihre Mühen
von Erfolg gekrönt.“

„Ich werde mich vermissen
sagte der alte Mann
die um das Sterbebett Versammelten
sagten nichts.“

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