Novecento

Freundschaft und Freiheit

Christian Selbherr erzählt die Geschichte von Novecento. Foto: Isabella Krobisch

Theater in Miesbach

Er hat die verrückteste Geschichte der Welt zu erzählen, der Trompeter Tim Dooney. Sie handelt von seinem besten Freund, dem Ozeanpianisten, von Alessandro Barrico in seinem Buch „Novecento“ verewigt. Christian Selbherr spielt unter der Regie von Steffi Baier den Monolog und wird von mitreißender Jazzmusik begleitet.

„Du bist nicht wirklich aufgeschmissen, solange du noch eine gute Geschichte hast und jemandem, dem du sie erzählen kannst.“ Steffi Baier zitiert einen der Sätze des italienischen Autors, der 1994 mit „Novecento“ eines der erfolgreichsten italienischen Theaterstücke schrieb. „Und er hat die beste Geschichte der Welt“, fügt die Regisseurin an.

Wir sitzen in der Probe in der Ballettschule von Isabella Winkler in Holzkirchen, denn es braucht einen großen Saal, auch wenn es nur ein Monolog eines Schauspielers ist. Sie habe das Stück schon lange im Visier, aber erst in der Pandemie habe sie von der Tanzpädagogin den großen Raum zur Verfügung gestellt bekommen können, erzählt Steffi Baier.

Novecento
Regisseurin Steffi Baier. Foto: Isabella Krobisch

Dass sie es im großen Saal des Kulturzentrums Waitzinger Keller aufführen kann, ist für sie ein großer Gewinn. „Es wird eine Vorstellung für alle Sinne sein“, sagt sie, man könne der Erzählung des Trompeters lauschen, filmische Elemente des Meeres sehen und die mitreißende Musik des Swing genießen. „Der tolle Saal spielt eine wichtige Rolle“, verrät die Regisseurin.

Der beste Pianist

Es ist die Geschichte zweier ungleicher Freunde. Sie beginnt mit einer skurillen Behauptung: Am 1. Januar 1900 wurde ein Säugling auf dem Passierschiff Virginian aufgefunden. Auswanderer hätten das Kind in einer Zitronenkiste ausgesetzt. Es erhielt den Namen T.D. Lemon und wegen des Zeitpunktes der Auffindung auch Novecento. Ein Maschinist zieht ihn auf und er bringt sich selbst das Klavierspielen bei.

Das Stück spielt nun den Goldenen Zwanziger Jahren des Jazz. An Bord des zwischen Europa und Amerika pendelnden Ozeandampfers spielt die Atlantic Jazz Band und Novecento ist der beste Pianist, den es je gab. Er ist in der Lage, mit seinem Instrument, den reichtum der Welt zu erfassen und wiederzugeben, eine Welt, die er nie gesehen hat, denn er weigert sich hartnäckig, das Schiff je zu verlassen.

Novecento Christian Selbherr. Foto: Isabella Krobisch

Christian Selbherr spricht den Monolog. „Es ist eine Herausforderung“, sagt er, „aber die Erzählung ist kreativ und fantasiereich.“ Steffi Baier verstehe es, ihn detailliert in den Text einzuarbeiten. „Man wird in eine ganz andere Welt entführt.“ Sie seien zu zweit eingetaucht und in See gestochen, sagt der Schauspieler. Eine irre Geschichte sei es mit absurden Szenen, und sie springe von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück, erzählt Steffi Baier.

Michael Pelzer als Kapitän

Dabei baut sie auch andere skurille Figuren mit ein, wie einen klaustrophoben Kapitän, den Michael Pelzer aus dem Off spricht, oder einen stotternden Funker. Neben den verschiedenen Stimmaufnahmen ist das Stück von der Musik der zwanziger Jahre bestimmt. „Wir hatten Unterstützung von Trompeter Heinz Dauhrer und Jazzpianist Bernd Lhotzky“, sagt Steffi Baier. Und das Bühnenbild gestaltete Manuel Kuthan.

Freundschaft auf dem Meer

„Für mich ist es reizvoll, diese Geschichte erzählen zu dürfen, sie ist es wert“, sagt Christian Selbherr. Nach der großen zu bewältigenden Textmenge befragt, meint er augenzwinkernd: „Man lernt und lernt und dann sagt die Regisseurin: das nehmen wir raus.“

Ob das Stück eine Botschaft habe, frage ich am Ende. Nein, keine eigentliche Botschaft, sind sich Steffi Baier und Christian Selbherr einig. Aber es erzähle von einer großen Freundschaft auf dem Meer, in der Welt des Wassers ohne Festland, dem man ausgeliefert sei. Und es erzähle von der Freiheit, denn die Jazzmusik beinhalte maximale Freiheit der Musizierenden und Novecento nimmt sich die Freiheit, das Festland nicht zu betreten.


Plakat Novecento. Foto: Waitzinger Keller

Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten von Alessandro Barrico, deutsch von Karin Krieger, Jussenhover & Fischer, Theater & Medien. Regie: Steffi Baier, es spielt: Christian Selbherr. Am 3. und 4. Februar im Kulturzentrum Waitzinger Keller Miesbach. Karten unter 08025/7000-0 oder www.waitzinger-keller.de.

Zum Weiterlesen: Hinreißend interpretierte „Love letters“

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