Wer ist hier normal im Champus Express?

Axel von der FBÖ (Christian Selbherr) und Rudolf, der Gangster (Wolfgang Lippkau). Foto: Petra Kurbjuhn

Theater in Wall

„Stress im Champus Express“ heißt das neue Stück der Waller Bretthupfer, dessen Premiere im Trachtenheim zu einer umjubelten Aufführung geriet. Zu Recht, urkomische Mitwirkende, einfallsreiche Technik, witzige Dialoge und eine Menge déjà vu.

„Genießen Sie zwei bis sieben Stunden“, lautete die Durchsage am Holzkirchner Bahnhof, an dem der Interlux-Express nach Wien abgehen sollte. Die Wartezeit verkürzte Schaffner Wischnewski mit einer preisverdächtigen Bühnenshow. Als „Crazy moves“ wurde Hansi Fahrnbauers lasziver, an Elvis erinnernde Tanz angepriesen. Mit dem extradick ausgestopften Bauch ein Genuss.

Kompliment an die Technik

Und dann geht die Reise mit einigen Verwirrungen und Verwicklungen los. Das Bühnenbild zeigt das Bordbistro, an den Fenstern fliegt die Landschaft vorbei. Hier schon einmal ein dickes Kompliment an die Technik (Alois Seestaller jun., Jakob Stürzer, Florian Zehrer jun. und Maxi Zehrer), die die Vorstellung professionell ausstatteten. Allein die ständigen Durchsagen auf Deutsch und Pidgin-Englisch sind köstlich.

Champus Express
Das Gangsterpaar Kati (Ursula Lippka) und Rudolf (Wolfgang Lippkau) mit Putzfrau Ilse (Conny Berghammer) (l.). Foto: Petra Kurbjuhn

„Keine Party ohne Kati“, das ist das Lebensmotto von Kati, die mit ihrem Partner Rudolf dazu aber die entsprechende Kohle braucht. Ihr Plan, das Bordbistro per Überfall zu plündern ist die Grundidee des Stückes von Bernd Spehling. Im Wege steht das Bordpersonal, das infolge der Privatisierung und damit verbundener Sparmaßnahmen der Bahn an Kompetenz eingebüßt hat. Dazu kommen die ziemlich schrägen Fahrgäste unterschiedlicher Couleur.

Witzige Regieeinfälle

Ludwig Stürzer hat die Komödie mit vielen witzigen Regieeinfällen inszeniert, wobei ihm ein Stab kompetenter Mitwirkender zur Seite stand. Die schauspielerische Leistung begeisterte das Publikum immer wieder zu Szenenapplaus. Das Stück lebt auch von den etwas überspitzten Charakteren, die die Gesellschaft in vielen Facetten abbilden.

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Versicherungsmann Steffen (Korbinian Kloiber) mit dem Gangsterpaar. Foto: Petra Kurbjuhn

Ursula Lippkau ist die leicht überdrehte Kati, die ihren, ja, sagen wir schwerfälligen und unbedarften Rudolf (Wolfgang Lippkau) nach dem Überfall immer wieder zu neuen Versteckspielen mit dem erbeuteten Geld überreden muss. Dabei kommt es zu akrobatischen Verrenkungen ebenso wie zu intelligenten Dialogen. „Unsere Welt steht Kopf“, heißt es etwa, als die Tür des Arzneischrankes falsch herum platziert wird.


Gertrud (Lisi Kalb) und ihre Chefin Gesine (Sylvia Berghammer). Foto: Petra Kurbjuhn

Großartig in ihrer Rolle als Gertrud ist Lisi Kalb. Die unfreundliche Bistrobedienung kommt mit ihrem problematischen Verhältnis zu Fremdwörtern zunächst etwas dümmlich daher, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Mit ihrem köstlichen, der Jugend abgelauschten Dialekt, ihren genervtem Augenverdrehen dürfte sie so mancher Mutter bekannt vorkommen.

Karikatur der Gilde

Korbinian Kloiber gibt den Versicherungsverkäufer Steffen. Mit seinem Zahnpastalächeln und überzeugtem Verkaufsgebahren mit nach oben ausgestrecktem Daumen und „das ist der Knaller“ karikiert er gekonnt die Gilde und kommt zu der Einsicht: „Vielleicht fange ich an, von innen zu verfaulen.“

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Tour de France Teilnehmer (Michael Zehrer) und Schaffner Wischnewski (Hans Fahrnbauer). Foto: Petra Kurbjuhne

Als Zugchefin Gesine gibt sich Sylvia Berghammer wichtigtuerisch, spielt sich ständig als Chefin auf, ist aber mit der zugegebenermaßen skurillen Situation komplett überfordert. Auch ihr Schaffner, der dickbäuchige Wischnewski, ist keine richtige Hilfe, wenn er sich im Tarifdschungel der Bahnpreise verliert.

Ebenso die Putzfrau Ilse, gespielt mit schriller Stimme von Conny Berghammer, die eigentlich nur stört und aufdringlich mit ihrem Putzwedel unterwegs ist.


Lieselotte (Ulrike Münch) und Petra (Steffi Ströbl). Foto: Petra Kurbjuhn

Dann tauchen noch zwei gut betuchte Damen auf. Die Oma Lieselotte (Ulrike Münch) mit feinem grauen Haarknoten hat den schwerfälligen, überdimensionalen, tätowierten Enkel Harvey (Sepp Kloiber) im Schlepptau, den sie permanent mit Kopfnüssen bedenkt und die Pathologin Petra (Steffi Ströbl), die ständig Assoziationen zu ihren Klienten herstellt und von Quetschungen und Hämatomen schwärmt.


Gesine (Sylvia Berghammer) und Harvey (Sepp Kloiber). Foto: Petra Kurbjuhn

Köstlich auch der Tour de France Teilnehmer. Michael Zehrer wirkt nicht nur ein bisschen schwergewichtig für einen Radprofi, sondern ist auch noch außerordentlich wehleidig, denn die Mitnahme eines Rades und von Handgepäck, das geht in diesem Luxuszug nicht.

Bühnenpräsenz von Axel von der FBÖ

Vor der Pause wird die Ankunft von Polizeibeamten angekündigt, der Zug hält mit quietschenden Rädern. Und dann kommt der Höhepunkt des Spieles mit dem Auftritt von Axel Böller vom Landeskriminalamt, FBÖ. Christian Selbherr mit schwarzer Perücke und Sonnenbrille hat mit seinem Wiener Dialekt und seinem wichtigen Gehabe eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Ohne seine Assistentin Anne (Kathi Stocker) allerdings wäre er verloren, sie souffliert ihm die bedeutsamen Worte, wie Scharfschützen, Geiselnahme, Überfall, denn da kommt er einfach nicht drauf, auch wenn er so wichtig ist. „Wer ist hier normal?“ Diese Frage bleibt offen.


Showdown. Foto: Petra Kurbjuhn

Und so kommt es zum Showdown mit überraschendem Ausgang, der auf einer Wiener Parkbank gefeiert wird.

Nach nicht enden wollendem Applaus holen die Mitwirkenden alle an der gelungenen Aufführung Beteiligten auf die Bühne. Ihnen allen gebührt Anerkennung für das humorvolle, spritzige und aufwändige Gemeinschaftswerk.

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Beim Schlussapplaus darf die langjährige Freundin der Brettlhupfer, die Schauspielerin Claudia Brodzinska-Behrend, an der Seite von Regisseur Ludwig Stürzer nicht fehlen. Foto: Petra Kurbjuhn

Da alle geplanten Aufführungen, einschließlich der Zusatzvorstellungen, bereits ausverkauft sind, haben die Waller Brettelhupfer drei weitere Vorstellungen am 23., 27. und 28. April, jeweils um 20 Uhr geplant. Der Vorverkauf für die drei letzten Vorstellungen startet am 8. April um 9 Uhr. Auf der Webseite erfahren Sie weitere Informationen.

Zum Weiterlesen: Eine Hymne an die Heimat und den Humor

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